Crosslit – ein
neuer Begriff
Zu klären ist der Begriff Crosslit – auch mit den Methoden der Taxonomie. Ziel ist es, eine pragmatische Option zu erarbeiten, mit der Autorinnen und Autoren eigene Experimente starten können, aber auch das Wissen haben, ihr Tun kritisch zu reflektieren. Crossmedial in der Literatur zu denken und zu arbeiten, entschlackt den Begriff der Literatur von dem Mythos des Genialen und führt in ein weites Feld der Autonomie der vielen Möglichkeiten des kreativen Handwerks.
Ein taxometrische Verfahren orientiert sich an der Hierarchie in der Begriffsbildung. Aus der Taxometrie sind die Klassifikationen entstanden – zunächst in der Biologie, dann in der Pädagogik und schließlich auch in der Literaturwissenschaft. Die Taxometrie geht auf den schwedischen Naturforscher und Biologen Carl von Linné zurück. Sie ist die Lehre von der Einordnung der Lebewesen in ein Schema der Klassifikation, mit der Tiere und Pflanzen nach Eigenschaften (Adjektive) und Gattungen (Substantive) in eine Ordnung gebracht werden. Im Rahmen einer solchen Nomenklatur können dann die Funktionen erschlossen werden, die Gattungen und Eigenschaften innerhalb eines Fachgebietes (z.B. Literatur) oder in Bezug auf andere Referenzsysteme (z.B. Publikum/Gesellschaft) haben.
Crosslit als eigenständiger Begriff innerhalb des Referenzsystems Literatur muss die Eignung haben, zur Bildung von Hypothesen beizutragen, die evaluierbar, also empirisch prüfbar sind. Die mit dem Begriff Crosslit verbundene Zielorientierung für das literarische Handeln ist auf Möglichkeiten und Grenzen des Begriffs Crosslit ausgerichtet: In der Produktion von Literatur soll optimale Effizienz erreicht werden. Die taxonomischen Stufen des Begriffs kennzeichnen nicht nur Handlungspotenziale in der gegenwärtigen Literaturproduktion. Sie stellen auch ein Prüfkatalog zur Verfügung, wie Gestaltungsmerkmale für das jeweilige Verbreitungsmedium beachtet werden sollen. Die Stufen in der taxometrischen Begrriffsbildung unterscheiden sich in der Komplexität ihrer Zuordnungen und können für den Literaturproduzenten in folgendes Schema gebracht werden:
Wissen (Fakten, Begriffe, Symbole): Abläufe des Erinnerns, der Erfahrung und der Erkenntnis. Daraus abgeleitete Fähigkeiten/Anforderungen: Wiedergeben, Aufsuchen, in Form bringen, Wahrnehmen, Recherchieren, Informieren.
Verstehen (Bezeichnen, Erklären, Interpretieren): Das Einzelne mit seinen Umgebungen verbinden, Sachverhalte und Zusammenhänge erkennen und in der Kommunikation testen.
Kreativität (Neues und Originelles schaffen): Wissen und Verstehen in neue Zusammenhänge führen und solchen Konstrukten eine Form geben. Prüfen, wie sinnvoll neue Aufgaben und wie brauchbar die angestrebten Lösungen sind.
Analyse (Ordnung der Bestandteile und Interdependenz zwischen den Elemente): Kriterien festlegen, Mängel feststellen, das Besondere aus den Bestandteilen des Begriffs in den Vordergrund rücken, um es empirisch prüfen zu können.
Synthese (Zusammenfassung von Elementen und ihren Merkmalen nach ihrer Analyse): Definitionen für eine neue, übergeordnete Einheit als Gattung Crosslit.
Die Antwort, wie über diese Stufen im literarischen Handeln optimale Formen der Vermittlung genutzt werden können, überschreiten die monomediale Ästhetik aus dem Zeitalter der analogen Literaturproduktion. Neu hinzu kommt im digitalen Zeitalter die Erfahrung, dass die Eigenschaften des technischen Vermittlungskanals auch die Formen bestimmt, wie Wissen, Verstehen, Kreativität, Analyse und Synthese formal aufbereitet werden müssen, um das Wahrnehmungspotenzial (Publikum) optimal ausschöpfen zu können.
Literatur:
Die Taxonomie nach der Lerntheorie von Benjamin Bloom siehe Peter Baumgartner: Taxonomie von Unterrichtsmethoden. Münster 2012
Die Taxonomie in ästhetischen Produktionen siehe Yvonne Pauly: Unterscheidungskunst. Ein Gespräch mit Marion Poschmann über poetische Taxonomie.
In: Sinn und Form 1/2021 Berlin